Es ist Montag der 3. Juni 2010, 5 Uhr morgens. Der Radiowecker reißt Günther S. (46) aus dem Schlaf. Der Oldie-Sender spielt Modern Talking. Herr S. quält sich aus dem Bett. Gestern ist es etwas später geworden bei der Arbeit. Dienst am Pfingstmontag - mal wieder. Früher konnte er danach wenigstens ausschlafen. "Ja, ja, der Pfingstmontag", murmelt Herr S., "ist das wirklich schon sieben Jahre her?" Es hat sich wirklich einiges getan, seit damals. Nur nicht in seinem Haus.
Als 2005 die Eigenheimzulage plötzlich doch gestrichen wurde, mussten sie Abstriche machen. Und inzwischen hat sich Familie S. daran gewöhnt. An die frei liegenden Leitungen und den Betonfußboden.
Der Strom wurde auch mal wieder erhöht, jedes Jahr um 0,20EUR/kWh.
Fernsehen und PC hat die Familie ja schon lange abgeschafft, denn wer will schon 80EUR im Monat an die GEZ zahlen... Die Mehrwertsteuer muss erhöht werden, haben sie damals gesagt. Das würde auch Entlastung in der Haushaltskasse bringen.
Sie wurde erhöht, auf genau 25%.
Gut, denkt Herr S., dass damals die Garage noch nicht fertig war. Denn der Wagen ist längst verkauft. Zu teuer, seit es keine Kilometerpauschale mehr gibt.
Und erst der Benzinpreis an den Tankstellen, der liegt nun ja auch bei 2,80EUR/Liter.
Und mit Bus und Bahn dauert es in die City ja auch nur zwei Stunden. Und was man dabei für nette Leute trifft.
Zum Beispiel die Blondine, die Herrn S. immer so reizend anlächelt. Zurücklächeln mag er nicht. Wegen seiner Zähne.
Aber was will man machen? 3000 Euro für zwei Kronen sind viel Geld.
Und schon die Brille mußte er selbst bezahlen. Hat dabei aber 15 Euro gespart, weil er nicht gleich zum Augen-, sondern erst zum Hausarzt gegangen ist. Wegen der Überweisung.
Trotzdem: Der Urlaub fällt flach. "Das könnte Ärger geben zu Hause", stöhnt Herr S. vor sich hin.
Traurig erinnert er sich an letzten Weihnachten. Als es nichts gab. 2009 wurde nämlich auch in der freien Wirtschaft das Weihnachtsgeld gestrichen.
Im öffentlichen Dienst ist das ja schon länger her.
"Und bis wann gab es eigentlich Urlaubsgeld?", fragt sich Herr S., er kommt nicht drauf. Damals hatte er noch genügend Urlaub, um das Urlaubsgeld aus zu geben. Heute sind es ja gerade mal 19 Tage im Jahr. Pfingstmontag? 1.Mai?
Geschichte.
Das stand nicht auf der Agenda 2010 - so hieß sie doch, oder?
Aber man soll nicht meckern. Die da oben, weiß Herr S., müssen noch viel mehr ackern.
Darum kann Günther S. mit der 45-Stunden-Woche auch ganz gut leben. Er hat auch keine Wahl. Seit der Kündigungsschutz auch in großen Betrieben gelockert wurde, mag man es sich mit den Bossen nicht mehr verscherzen.
Wer will sich schon einreihen, in das Heer von neun Millionen Arbeitslosen?
Aber den Feiertagszuschlag für den Dienst an Pfingsten vermißt er schon.
Was soll es, in 24 Jahren, dann wird er 70, hat Herr S. es hinter sich.
So üppig wird die Rente zwar nicht ausfallen, wenn das mit den Nullrunden weitergeht.
Doch wer weiß, vielleicht bringt ihn das Rauchen vorher um.
Obwohl er weniger qualmt, seit die Schachtel 12 Euro kostet. Aber heute, auf den letzten Metern zum Büro steckt Günther S. sich trotzdem eine an.
Diese E-Mail hab ich 2003 bekommen, sie ging währenddieser Zeit durch ganz Deutschland, warum wohl???
Schick auch Du sie ruhig weiter ..
kostet ja nix ...
NOCH nicht
NIna Hinfallen ist keine Schande, aber liegenbleiben
In Antwort auf:Traurig aber gar nicht unwahrscheinlich...
...und wenn nichts unternommen wird und den Bossen weiterhin in den Hintern gekrochen wird anstatt ihnen mal kräftig auf die Zehen zu treten.....ist es nicht nur "nicht unwahrscheinlich" sondern es kommt noch extremer.
Hans-Otto
per aspera ad astra (über rauhe Pfade zu den Sternen)
... stimmt auch. Aber nicht nur die Bosse sind schuld an diesem Dilemma. Mehrwertsteuer oder Kilometerpauschale (ist ja nun vielleicht vom Tisch) das dürfte doch ein Meisterstück unserer Politiker sein. Vergessen wir doch nicht unsere Lachnummer "Gesundheitsreform". Und der Euroverbrennungsofen "Bildung" oder "Rente" oder unsere geliebte "Bundesagentur für Arbeit".
Was auch noch etwas bringen würde: In vielen Betrieben wird den Menschen Angst um den Arbeitsplatz gemacht, mit dem Zweck sie auszunutzen. Menschlichkeit und Umgangsformen leiden. Die Wir-da-oben-ihr-da-unten Mentalität greift immer mehr um sich.
Gerechte Löhne und Gehälter - leistungsgerecht bezahlt - vieles könnte damit erreicht werden, würde auch die einheimische Wirtschaft wieder ankurbeln. Was nützt das ganze Gejubel "wir sind Exportweltmeister" wenn hier im Land nichts mehr geht.
Und dann: Die größte Ungerechtigkeit und Menschenverachtung hierzulande - Dieses unsägliche HartzIV.
Ein Land, ein Volk das sich sowas zulässt hat es nicht besser verdient.
lg, Hans-Otto
per aspera ad astra (über rauhe Pfade zu den Sternen)
Zitat von Hans-Otto Ein Land, ein Volk das sich sowas zulässt hat es nicht besser verdient.
... auf die Straße gehen ...? so wie die Franzosen zum Beispiel? Da müssten wir 24 Stunden 7 Tage die Woche, jeden Monat protestieren, es gibt viel zu tun ...
Trollkind
(
gelöscht
)
Beiträge:
10.12.2008 17:11
#6 RE: Traurig, aber gar nicht unwahrscheinlich.......
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Hans-Otto