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Dieses Thema hat 2 Antworten
und wurde 682 mal aufgerufen
 Erkenntnisse, Ansichten und Einsichten
sonnenblume ( gelöscht )
Beiträge:

18.02.2008 19:57
Die Macht der Wunder Zitat · Antworten

DIE MACHT DER WUNDER

Kann man heutzutage als aufgeklärter Zeitgenosse noch an Wunder glauben? 56 Prozent der Bundesbürger beantworten die Frage mit einem "JA". Schließlich erleben wir im Alltag immer wieder kleine wunder, die uns Kraft und Zuversicht geben. Was steckt hinter unserer tiefen Sehnsucht nach dem Unvorhersehbaren?

(von Frank Nicolaus - aus P.M.- Welt des Wissens)

Der Schock kam vom Himmel. Die Nacht war finster und kalt. Die Hirten, die auf dem Feld die Herden hüteten, froren gottserbärmlich. Da strahlte plötzlich ein Licht aus der Dunkelheit auf, blendend und hel wie ein Blitz. Und als die Hirten sich in panischer Angst auf den Boden warfen, trat ein Engel aus dem Licht und verkündete ihnen die Geburt des Erlösers. Das göttliche Kind sei in einem Stall in Bethlehem zur Welt gekommen und liege in einer Krippe auf Stroh. Bald versammelte sich eine ganze Heerschar von Engeln auf dem Feld. Wie aus einem einzigen Mund lobten die himmlischen Wesen den Allmächtigen und wünschten den Menschen feierlich "Frieden auf Erden".
Als der Evangelist Lukas die "Weihnachtsgeschichte" niederschrieb, konnte er sich nicht auf augenzeugen berufen. Das erste Wunder von Bethlehem fand vor über 2000 Jahren unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt.
Über das zweite Wunder von Bethlehem berichtete Reuters, die größte Nachrichtenagentur der Welt, mit Fotos und Interviews. Das Kind, von der Presse zum "Wunderbaby" hochgeschrieben, wurde im palästinensischen Flüchtlingslager "Aida" bei Bethlehem geboren. Es kam im November 2003 am 27. Tag des heiligen Ramadan zur Welt. Ein historisches Datum im Islam: An diesem Tag offenbarte Allah einst dem Propheten Mohammed die ersten Suren des Korans. Die Flüchtlingsbaracke bei Bethlehem wurde schnell zum Wallfahrtsort der West-Bank-Palästinenser. Sie kamen um "die Botschaft Allahs" zu sehen: Auf der rechten Wange des Säuglings bildete ein großes Muttermal den arabischen Rufnahmen Ala. Ein vielsagendes Wunder für die frommen Muslime; denn Ala hieß ein Onkel des "Wunderbabys" von israelischen Soldaten erschossen worden war. Die islamischen Pilger deuteten das Muttermal des Neugeborenen als eine himmlische Nachricht. Vor laufenden Kameras erklärte Ajscha Ajjad, die Großmutter des Kindes: "Allah will uns zeigen, dass die Soldaten zwar unsere Söhne töten können, aber nicht unsere Seele:" Keine Kampfansage an die Israelis. Die leidgeprüfte Frau ergänzte: "Allahs Zeichen ermahnt die Israelis und Palästinenser, endlich Frieden zu schließen, damit unsere Kinder in einer gewaltfreien Welt aufwachsen können." Zwei Wunderberichte, eine gemeinsame Botschaft. Friede den Menschen.
Doch was für die palästinensischen Muslime ein göttliches Zeichen, ist für den israelischen Jungen nur eine partielle Fehlbildung der Haut. Und der Lichterglanz des Weihnachtsfestes lässt Gläubige anderer Religionen kalt. "Der Mensch kann Wunder nur erleben, wenn er bereit ist, sein Herz und seine Augen zu öffnen". erkannte bereits im 5. Jahrhundert der bedeutende Kirchenlehrer Augustinus. Zu Beginn des dritten Jahrtausends, im globalisierten Dorf von iPod und Internet, nimmt die wundersame Bereitschaft offenbar rapide zu - zumindest in der westlichen Welt.
"Glauben Sie an Wunder?", wollte das Allensbacher Institut für Demoskopie im September 2006 von den Deutschen wissen. Die repräsentative Umfrage, von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in Auftrag gegeben, kann mit bemerkenswerten Ergebnissen aufwarten. 56 Prozent der Bundesbürger beantworten die Wunder-Frage mit einem eindeutigen JA. Nur 30 Prozent der Befragten gaben sich als Mirakel-Muffel. Anfang der 1990er Jahre bekannten sich - trotz frischen "Wende-Wunders" - im statistischen Durchschnitt nur 48 von 100 Deutschen zum Wunderglauben.
Glaubt man der Sprache, könnte man meinen, dass es sich beim Wunder um ein alltägliches Phänomen handelt: Wunderkerze, Wundertüte, Wirtschaftswunder, Weltwunder, Frollein-Wunder, Wunderkammer, Wunder der Technik, Wunderlampe (eine Tintenfischart), Wunderheiler, Wonder-Bra und so wunderbar weiter. Wunder über Wunder.
Was ist eigentlich ein Wunder? Die Lexika klären eher spröde auf; der Grundtenor: als Wunder wird ein Ereignis bezeichnet, das zwar empirisch wahrnehmbar ist, aber den allgemeinen menschlichen Erfahrungen und/oder den bekannten Naturgesetzen widerspricht. Kirchenvater Augustinus bringt einen wichtigen Einwand gegen diese rationale Definition vor "Man pflegt zu sagen, alle Wunder seien gegen die Natur; doch das trifft nicht zu. Denn wie kann etwas gegen die Natur sein, das durch Gottes Wille geschieht?"
Auch das 1786 erschienene "Lexikon der christlichen Glaubens- und Sittenlehre" pocht auf das Verursacherprinzip: "Wunder können nur Gott, dem Schöpfer und Herrn der Natur, zugeeignet werden." Eine angreifbare Definition. Wie in Volksmärchen und Mythen findet man auch in der Bibel Berichte von Wundern, die nicht göttlichen Ursprungs sind, sondern von bösen Mächten in Szene gesetzt werden. So warnt das Matthäus-Evangelium:"Es werden falsche Christi und falsche Propheten aufstehen und große Zeichen und Wunder tun."
Wunder-Protokolle gab und gibt es überall, in jeder Kultur, in jeder Religion. Psychologen wundert diese Allgegenwärtigkeit überhaupt nicht. Denn:
In einer Welt, in der am Ende und immer unausweichlich der Tod wartet, braucht der Mensch offenbar den Glauben an die Möglichkeit eines allen Erfahrungen und Unausweichlichkeiten widersprechenden Eingreifens höherer Mächte. Der berühmte Theologe und Urwalddoktor Alber Schweitzer schmückte den "Wunderbegriff mit dem doppeldeutigen Attribut "unvernünftig". Er unterschied zwischen der Vernunft des Kopfes und der Vernunft des Herzens.

(Fortsetzung folgt)

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Liebs Grüßle
Chris


"Sechs Wörtchen nehmen mich in Anspruch jeden Tag:
Ich soll, ich muß, ich kann, ich will, ich darf, ich mag."
Friedrich Rückert (1788-1866),

sonnenblume ( gelöscht )
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19.02.2008 20:28
#2 RE: Die Macht der Wunder Zitat · Antworten

Die Herzensvernunft baut nicht nur auf spektakuläre Meistermirakel. Besonders wichtig sind die vermeintlich »kleinen« Wunder, die gleichsam en passant geschehen. Sie sind es, die dem Menschen unverhofft Kraft und neue Zuversicht geben. So bezeichnet jeder vierte Deutsche beispielsweise »die Begegnung mit einer Person, mit der man sich sofort tief verbunden fühlt«, als echtes Wunder. 15 Prozent der Bundesbürger halten es für eine himmlische Fügung, dass sie einen Unfall unbeschadet überstanden haben.

Solche Alltagswunder sind weiß Gott keine Blockbuster im Lichtspielhaus der menschlichen Wünsche und Sehnsüchte. Aber wer sie erlebt, hat es leichter, sich solchen Meisterwundern wie Glaube, Liebe, Hoffnung zu öffnen. Sie schaffen eine Art Urvertrauen ins Übervernünftige. Kurzum: Die kleinen Wunder formatieren die Seele für die großen Wunder.

Wunder haben Hochkonjunktur. Auch und besonders im Vatikan, der Hochburg des Übervernünftigen. Anno 2000 segnete Papst Johannes Paul II. im Eilverfahren über 1000 Wunderwerke ab – »mehr als all seine Vorgänger in den letzten 400 Jahren zusammen« (Nachrichtenmagazin »Der Spiegel«). Die katholische Kirche lässt keinen Zweifel daran, dass der 2005 gestorbene Pontifex selber die Hauptperson eines Wunders war.

Die Vorgeschichte: Am 13. Mai 1917 hatten in dem portugiesischem Dorf Fatima drei kleine Mädchen eine wundersame Erscheinung. Vor den Augen der Kinder trat ein Frauengestalt aus einem strahlenden Licht. »Ich komme vom Himmel«, sagte sie und gab sich als Muttergottes zu erkennen. Das Wunder wiederholte sich mehrere Male; während einer der Erscheinungen soll die »Madonna« verkündet haben: »Der Papst wird viel leiden müssen.«

Am 13. Mai 1981, auf den Tag genau 64 Jahre nach der ersten Fatima-Vision, wird das Oberhaupt der katholischen Kirche während einer Generalaudienz auf dem Petersplatz von einem rechtsradikalen Türken angeschossen. Polizisten transportieren den lebensgefährlich verletzten Papst Johannes Paul II. sofort in die Gemelli-Klinik am Stadtrand von Rom. Nach der Operation wundert sich der behandelnde Chirurg Francesco Cruscitti am Krankenbett des Papstes: »Es scheint unglaublich, aber die Kugel ist um Haaresbreite an lebenswichtigen Organen vorbeigerast und hat eine seltsame Kurve beschrieben. Es ist, als ob eine Macht, eine unsichtbare Hand, sie in Ihrem Körper, Eure Heiligkeit, aufgehalten und umgelenkt hätte.«

»Es gibt so viele Definitionen des Wunders, wie es Wunder gibt«, meinte listig der irische Freidenker und Dramatiker George Bernhard Shaw. Sein Dichterkollege und Kirchen-Skeptiker Goethe ließ den Gelehrten »Faust« erkennen: »Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind.« Für den Reformator Martin Luther war das »innere Wunder des Glaubens wichtiger als alle äußeren Zeichen«. Der Psychotherapeut und rebellische Theologe Eugen Drewermann gehört auch zu den Mirakel-Minimalisten: »Die wirklichen Wunder ereignen sich selten spektakulär. Die schönsten Wunder sind die kleinen Geschichten unserer Freiheit.«In der Grauzone der Mirakel-Theorie zeichnen sich vier Hauptkategorien ab: Errettungswunder, Heilungswunder, Erlösungswunder und Schöpfungswunder. Das wirklich Wunderbare am Wunder: Viele »übernatürliche« Ereignisse haben eine natürliche und menschliche Variante. So gehören zur Kategorie der Erlösungswunder beispielsweise unerwartete Regenfälle nach langen Dürreperioden (ein Klassiker in Agrarkulturen). Aber auch das liebste Wunder der Deutschen ist hier verortet: das Wunder von Bern.

(Fortsetzung folgt)

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Chris


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Friedrich Rückert (1788-1866),

sonnenblume ( gelöscht )
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29.02.2008 14:20
#3 RE: Die Macht der Wunder Zitat · Antworten

Dass die Herberger-Elf anno 1954 bei der Fußballweltmeisterschaft im Schweizer Wankdorf-Stadion den Endspiel-Gegner Ungarn besiegte, war eine Sensation. Das eigentliche Wunder aber geschah kollektiv in den Köpfen und Herzen der Deutschen. Nach der Hitler-Katastrophe war Deutschland ein Paria in der Völkergemeinschaft. Sehr berechtigte Scham förderte ein gefährliches flächendeckendes Minderwertigkeitsgefühl. Der sportliche Sieg in Bern sollte die Wende bringen. Deutschland feierte einen Triumph, und die Welt schlug nicht Alarm, sondern klatschte Beifall. Ein damals nicht für möglich gehaltener Erfolg. Vom Bolzplatz in der Provinz bis zum Bonner Regierungsviertel: Deutschland gewann neues Selbstvertrauen und damit einen leichteren Zugang zur Demokratie. Ein Wunder. Eine kollektive Erlösung.

Die Metropole der Heilungswunder liegt im französischen Département Hautes-Pyrénées. Der Wallfahrtsort Lourdes lebt von den bis zu fünf Millionen Pilgern, die jährlich den Segen der heiligen Bernadette erflehen und auf ein medizinisches Wunder hoffen. Seit 1858 sollen hier über 4000 Menschen auf mirakulöse Weise von ihren Gebrechen befreit worden sein.

Die überwiegende Mehrzahl der Mediziner will Wunderheilungen nicht wahrhaben. Die meisten von ihnen sprechen sogar die eher spröde Vokabel »Spontanheilung« nur mit gespitzten Lippen aus – dabei sind plötzliche, unerwartete und mit den Kenntnissen der Schulmedizin nicht zu erklärende Heilungen vermeintlich »hoffnungsloser Fälle« mittlerweile vielfach belegt. Eine Erkenntnis von Albert Einstein erklärt das Dilemma der Schulmedizin: »Es ist das Ziel eines jeden Intellekts, ein Wunder in etwas zu verwandeln, das man begreifen kann.«

Jahrhundertelang beriefen sich Wunder-Gegner auf die enggliedrige Kette der Kausalität, die kein Ereignis ohne erkennbare Ursache zulässt. Als im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts Forscher in den subatomaren Bereich vorstießen, war dieses Argument plötzlich nicht mehr stichhaltig. 1927 schrieb der berühmte Physiker und spätere Nobelpreisträger Werner Heisenberg: »Durch die Quantenmechanik ist die Ungültigkeit des Kausalgesetzes definitiv festgestellt.« Sir Arthur Stanley Eddington, Astrophysiker von Weltrang, folgerte couragiert: »Auf Grund des vertieften Einblicks in die Naturgesetzlichkeit, den wir heute haben, können wir heute das Eintreten eines Wunders nicht ausschließen.«

»Gott hat mitgebohrt!« Mit dieser reißerischen Schlagzeile fasste ein deutsches Boulevardblatt im November 1963 die Dankbarkeit und Freude über ein besonders spektakuläres Errettungswunder zusammen. Es beginnt mit einer Katastrophe: Am 24. Oktober 1963 werden in der niedersächsischen Eisenerzgrube »Mathilde« bei Lengede 129 Bergleute von einer Schlammflut eingeschlossen. 79 Kumpel können sich sofort retten, sieben Männer werden am nächsten Tag geborgen. 43 Arbeiter sind noch in der Grube. Es beginnt eine der größten Rettungsaktionen der Bergwerksgeschichte. Am 1. November werden drei weitere Männer aus einer Tiefe von 79 Metern lebend ans Tageslicht geholt. Für die restlichen Bergleute scheint es keine Hoffnung mehr zu geben. Am 2. November baut man die technischen Geräte ab und stellt alle Bergungsarbeiten ein. Auf Drängen eines Kumpels entschließt man sich jedoch für einen allerletzten Versuch: In den frühen Morgenstunden des 4. November wird noch einmal eine Suchbohrung angesetzt. Und diesmal lohnt sich die Mühe. In 58 Meter Tiefe stößt der Bohrer auf eine Höhle, in der elf Bergleute überlebt haben.

Die Eingeschlossenen geben Klopfzeichen. Mit fieberhafter Eile werden die Bergungsgeräte wieder aufgebaut. Die ganze Welt bangt mit. Weit über tausend inländische und ausländische Journalisten berichten in alle Himmelsrichtungen. 29 Bergleute sind tot. Aber die elf Eingeschlossenen leben noch. Auf allen Kontinenten wird für sie gebetet; Schulkinder zünden Kerzen für sie an, führende Politiker vieler Länder schicken Mutmacher-Telegramme. Am 7. November, nach 14 Tagen Todesangst, können die elf Männer aus der Höhle befreit werden. Die Bergung prägt sich als »Wunder von Lengede« ins kollektive Gedächtnis der Deutschen ein.

Die glückliche Rettung der Bergleute berührt das Herz stärker als so manches der 30 neutestamentarischen Jesus-Wunder. In der weltweiten Solidarität mit den Eingeschlossenen wird die christliche Botschaft deutlicher als im göttlichen Wandeln auf dem Wasser.

Wie viel Wunder braucht der Mensch? Viel. Ohne offen oder versteckt an die Möglichkeit glücklicher Fügungen zu glauben, wären die meisten Menschen dem Trübsinn anheimgegeben. Das Wunder ist nicht nur des Glaubens, sondern auch des Lebens liebstes Kind.

Gerade unter den wirklich bedeutenden Naturwissenschaftlern hat sich längst eine sympathisierende Toleranz gegenüber den verschiedenen Formen des Wunderglaubens durchgesetzt. Viele von ihnen bekennen freimütig, dass ihr Wissen schnell an Grenzen stößt, wenn sie sich mit den großen Schöpfungswundern auseinandersetzen. So kann mit dem Begriff »Urknall« eines der aufregendsten Welträtsel zwar umschrieben, aber nicht erklärt werden.

Nicht selten gerät die Vernunft des Herzens mit der Vernunft des Kopfes in einen quälenden Konflikt. Albert Einstein hatte auch für dieses Problem eine Lösung parat. Er empfahl eine konsequente Haltung: »Es gibt zwei Arten, sein Leben zu leben: entweder so, als wäre nichts ein Wunder, oder so, als wäre alles eines. Ich glaube an Letzteres.« Sein Wunderverständnis demonstriert der Nobelpreisträger am 12. April 1929 in der Berliner Philharmonie: Der zwölfjährige Geiger Yehudi Menuhin interpretiert als Solist drei klassische Violinkonzerte. Das Publikum ist hingerissen. Albert Einstein stürmt auf die Bühne und ruft dem Wunderkind zu: »Nun weiß ich, dass es einen Gott im Himmel gibt.«

Vielleicht nicht an Gott, bestimmt aber wieder an den Menschen werden jene Soldaten geglaubt haben, die am 24. Dezember 1914 an der Westfront eines der schönsten Weihnachtswunder der Weltgeschichte erlebten.

Der Erste Weltkrieg hat bereits Tausende von Menschen das Leben gekostet. An der französisch-belgischen Grenze bei Ypern, Basseville und St. Yvon liegen sich verfeindete Soldaten gegenüber; auf der einen Seite die Deutschen, auf der anderen die Engländer und Franzosen. Die Generäle feiern diesen Tag im heimischen Lichterglanz mit Braten, Wein und frommen Sprüchen. In den Schützengräben frieren die einfachen Soldaten und Unteroffiziere; vor ihnen im Niemandsland verrotten die Körper der Gefallenen.

Der Befehl ist eindeutig: Die Soldaten sollen sich weiter gegenseitig abschlachten. Doch an diesem Weihnachtsabend geschieht etwas, was sich weder psychologisch noch naturwissenschaftlich erklären lässt. Irgendeiner beginnt: Er singt ein Weihnachtslied. Ein anderer fällt mit ein. So geht es weiter. Auf beiden Seiten. Weihnachtslieder. Christmas Songs, Chants de Noël. Dann ruft es aus einem Schützengraben: »Hallo Tommy!« Die Antwort kommt sofort: »Hallo Fritz!« Dann die entscheidende Botschaft: »We not shoot, you not shoot!« Wir werden nicht aufeinander schießen. So wird es geschehen. Aus den feindlichen Schützengräben kriechen Soldaten, sie treffen sich im Niemandsland. Deutsche, Franzosen, Engländer: In der Weihnachtsnacht sind sie keine Gegner mehr. Vergessen sind die eingetrichterten Hassparolen. Gemeinsam bergen sie die Gefallenen. Dann singen sie wieder Weihnachtslieder, erzählen von ihrem Zuhause und tauschen kleine Geschenke aus, hier eine Packung Zigaretten, dort eine Dose mit Marmelade.

Einmal versucht ein Offizier, die weihnachtliche Verbrüderung mit wütenden Kommandos zu verhindern. Doch die Soldaten kümmern sich nicht um den Mordbefehl. In dieser Heiligen Nacht gehorchen sie nur ihren Herzen.


Autor(in): Frank Nicolaus







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Chris


"Sechs Wörtchen nehmen mich in Anspruch jeden Tag:
Ich soll, ich muß, ich kann, ich will, ich darf, ich mag."
Friedrich Rückert (1788-1866),

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