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Dieses Thema hat 4 Antworten
und wurde 1.372 mal aufgerufen
 Tagesgeschehen und Politik
Bernd Offline

Edelweiss


Beiträge: 1.334
Punkte: 1.334

21.08.2007 19:23
Gentrifikation Zitat · Antworten
Der Wissenschaftler Dr. Andrej H. sitzt in Isolierhaft.

Sein Forschungsgebiet: Gentrifikation (Innenstadtveredelung=arm raus-reich rein). Sein Vergehen: Bekennerschreiben zu einem Anschlag waren in Hochsprache verfasst und enthielten den Begriff Gentrifikation, außerdem wurde er im Gespräch mit einem "Tatverdächtigen" gesehen. Der Inhalt des Gesprächs ist nicht bekannt.


http://www.zeit.de/online/2007/34/wissen...t-andrej?page=2
Seit am 1. August der Berliner Soziologe Andrej H . unter Terrorverdacht verhaftet wurde, herrscht unter deutschen Sozialwissenschaftlern einige Aufregung. Sie erschüttert nicht nur, dass er wie ein Schwerverbrecher behandelt wird: getrennt von drei kleinen Kindern und seiner Lebensgefährtin, und jeder Brief, jedes Gespräch mit seiner Rechtsanwältin wird kontrolliert.

Eine ganze Reihe von Soziologen empörten sich zuletzt in einem offenen Brief an die Generalbundesanwältin darüber, dass Andrej H. ohne konkrete Anklagepunkte festgehalten werde, und forderten, die Ermittlungen einzustellen. Die Bundesanwaltschaft wirft dem Soziologen vor, Mitglied der Terrorvereinigung “militanten Gruppe“ (MG) zu sein. Angeblich habe er sich vor mehreren Monaten mit einem Mitglied der MG getroffen, das Ende Juli bei dem Versuch, Fahrzeuge der Bundeswehr in Brand zu setzen, verhaftet wurde.

_________________

Liebe Grüße
Bernd

Hans-Otto Offline

Administrator


Beiträge: 7.459
Punkte: 10.212

21.08.2007 19:49
#2 RE: Gentrifikation Zitat · Antworten

Dagegen gibt es auch schon einige Proteste.

z.B.

Offener Brief an die
Generalbundesanwältin beim Bundesgerichtshof Monika Harms
Brauerstraße 30
76135 Karlsruhe



14. 8. 2007


Am 1. August 2007 wurde auf Antrag der Bundesanwaltschaft der sozial engagierte Berliner Soziologe Dr.
Andrej H. in Untersuchungshaft genommen. Vorausgegangen waren Hausdurchsuchungen bei ihm und drei
weiteren wissenschaftlich Tätigen. Ihnen wird unterstellt, Mitglieder einer Organisation namens „militante
gruppe“ (mg) zu sein, gegen welche die Bundesanwaltschaft wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung
nach §129a StGB ermittelt. Der Haftbefehl erging gegen Dr. Andrej H., weil dieser vor mehreren Monaten
zwei „konspirative“ Treffen mit einer Person gehabt haben soll, die bei dem Versuch, Fahrzeuge der
Bundeswehr in Brand zu setzen, Ende Juli in Brandenburg an der Havel festgenommen wurde.
Die Art von Gewaltbefürwortung und –ausübung, wie sie von der „militanten gruppe“ praktiziert wird,
lehnen wir strikt ab. Zugleich verwahren wir uns aber entschieden gegen die Konstruktion der intellektuellen
Täterschaft, wie sie von der Bundesanwaltschaft vorgenommen wird. Der Verdacht auf die Zugehörigkeit zu
einer terroristischen Vereinigung wird nach Auskunft der Rechtsvertreter von Dr Andrej H. nämlich
inhaltlich wie folgt begründet:
- der Bundesanwaltschaft liegen keine Erkenntnisse über den Inhalt der Treffen von Dr. Andrej H. mit
dem mutmaßlichen Brandstifter vor. Diese schließt allein aus dem Umstand der beiden Treffen, dass
sie allesamt Mitglieder der „militanten gruppe“ sein müssen;
- nach der Bundesanwaltschaft ist von einer Mitgliedschaft von Dr. Andrej H. in einer terroristischen
Vereinigung auszugehen, weil er sich mit Themen beschäftigt, die sich auch in Schreiben der mg
wieder finden; eine wissenschaftliche Abhandlung von Dr. Andrej H. von 1998 enthalte
„Schlagwörter und Phrasen“, die in Texten der „militanten Gruppe“ gleichfalls verwendet werden
(u.a. den in der Stadtforschung gebräuchlichen Begriff der ‚Gentrification’),
- einem beschuldigten promovierten Politologen stünden „als Mitarbeiter eines Forschungszentrums
Bibliotheken zur Verfügung, die er unauffällig nutzen kann, um die zur Erstellung der militanten
Gruppe erforderlichen Recherchen durchzuführen“,
- er und die weiteren wissenschaftlich Tätigen verfügten über die „intellektuellen und sachlichen
Voraussetzungen, die für das Verfassen der vergleichsweise anspruchsvollen Texte der militanten
Gruppe erforderlich sind“,
Solche Argumente lassen jede wissenschaftliche Tätigkeit als potentiell kriminell erscheinen. Die
Begründungen der Bundesanwaltschaft stellen eine direkte Bedrohung für alle dar, die kritische Wissenschaft,
Publizistik und Kunst betreiben und für diese mit ihrem Namen in der Öffentlichkeit einstehen. Kritische
Forschung, auch in Verbindung mit sozialem und politischem Engagement, darf nicht zum terroristischen
Tatbestand erklärt werden.
Wir appellieren an die Bundesanwaltschaft, die Unterstellung fallen zu lassen, die wissenschaftlichen Arbeiten
von Dr. Andrej H. begründeten eine intellektuelle Täterschaft in einer terroristischen Vereinigung. Aus der
wissenschaftlichen Arbeit von Dr. Andrej H. lassen sich unter keinen Umständen Rechtfertigungen für einen
Haftbefehl herleiten. Eine solche Argumentation stellt eine fundamentale Bedrohung der Freiheit von
Forschung und Lehre dar.
Ebenso appellieren wir, die Ermittlungen gegen Dr. Andrej H. nach § 129a StGB, mit denen sich
besonders schwere Haftbedingungen und eine empfindliche Einschränkung der Verteidigung verbinden,
unmittelbar einzustellen.


Gezeichnet:
Prof. Dr. Hartmut Häußermann, Humboldt-Universität zu Berlin
Dr. Carsten Keller, Centre Marc Bloch, Berlin
Prof. Dr. Wilhelm Heitmeyer, Universität Bielefeld
Prof. Dr. Claus Offe, Hertie-School of Governance, Berlin
Ralf Fücks, Vorsitzender der Heinrich-Böll-Stiftung
Prof. Dr. Herbert Gans, Columbia University, New York
Prof. Dr. John Mollenkopf, City University of New York
Prof. Dr. Wolfgang Engler, Rektor der Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch" Berlin
Prof. Dr. Yves Sintomer, Universität Paris 8, stellv. Direktor des Centre Marc Bloch, Berlin
Prof. Dr. Ulrich Battis, Humboldt-Universität zu Berlin
Prof. Dr. Franz Schultheis, Universität StGallen und Netzwerk ESSE
Prof. Philipp Oswalt, Universität Kassel
Prof. Dr. Sandro Cattacin, Universität Genf
Prof. Dr. Hellmut Wollmann, Humboldt-Universität zu Berlin
Anna Vandenhertz, freiberufliche Autorin
Prof. Dr. Michael Schumann, Universität Göttingen
Prof. Dr. Helmuth Wiesenthal, Humboldt-Universität zu Berlin
Prof. Dr. Johannes Boettner, Hochschule Neubrandenburg
Prof. Dr. Simone Hain, TU Graz
Dr. Rainer Neef, Universität Göttingen
Dr. Wolfgang Neef, TU Berlin
Dr. Edith Pichler, Humboldt-Universität zu Berlin und Universität Trento
Dr. Anja Weiß, Ludwig-Maximilians-Universität München
Prof. Dr. Helmut Thome, Universität Halle
Prof. Dr. Ruth Becker, Universität Dortmund
Prof. Dr. Susanne Frank, Universität Dortmund
Prof. Dr. Ulf Kadritzke, Fachhochschule für Wirtschaft, Berlin
Prof. Dr. Martin Kronauer, Fachhochschule für Wirtschaft, Berlin
PD Dr. Klaus Schlichte, Humbodt-Universität zu Berlin
Prof. Dr. Michael Bodemann, University of Toronto
Dipl. Hist. Daniela Zunzer, Zürich
PD Dr. Ingrid Oswald, Humboldt-Universität zu Berlin
Prof. Dr. Wolfgang Kaschuba, Humboldt-Universität zu Berlin
Dr. Andreas Lösch, TU Darmstadt
Dr. Stefan Vogt, Universiteit van Amsterdam
PD Dr. Christine Hannemann, Humboldt-Universität zu Berlin
Prof. Dr. Stephan Lessenich, Friedrich-Schiller-Universität Jena
Prof. Dr. Christine Weiske, TU Chemnitz
Dr. Michael Heinrich, FHTW Berlin
Prof. Dr. Uwe-Jens Walther, TU Berlin
Ulrike Poppe, Ev. Akademie Berlin
Prof. Dr. Silke Wenk, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Prof. Dr. Andreas Pott, Universität Osnabrück
Wolfgang Kil, Publizist
Prof. Dr. Marianne Rodenstein, Universität Frankfurt/Main
Prof. Dr. Ludger Schwarte, Universität Basel
Prof. Dr. Ulrich Reinisch, Humboldt-Universität zu Berlin
Dr. Norbert Gestring, Universität Oldenburg
Dr. Uwe Bittlingmayer, Universität Bielefeld
Prof. Dr. Michael Krummacher, Ev. Fachhochschule RWL-Bochum
Dr. Fabian Kessel, Universität Bielefeld
PD Dr. Hagen Kühn, Wissenschaftszentrum Berlin
Dr. Dr. Bruno Flierl, Architekturkritiker und -theoretiker
Prof. Dr. Ullrich Bauer, Juniorprofessor Universität Bielefeld
Prof. Dr. Uwe Altrock, Universität Kassel
Dr. Klaus Lederer, FHTW/FHVR und Rechtsanwalt
Dipl.- Geogr. Matthias Naumann, Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung, Erkner
Dr. Roland Verwiebe, Universität Hamburg
Dr. Monika Eigmüller, Universität Leipzig, Institut für Soziologie
Dr. Olaf Groh-Samberg, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung
Prof. Dr. Carmen Mörsch, Juniorprofessorin Carl von Ossietzky Universität Oldenburg


LG, Hans-Otto

Meine Homepage "erLeben"
per aspera ad astra
(über rauhe Pfade zu den Sternen)

Bernd Offline

Edelweiss


Beiträge: 1.334
Punkte: 1.334

21.08.2007 20:08
#3 RE: Gentrifikation Zitat · Antworten
Gegen Polizei und Verfassungsschutz scheinen die Politik, Regierung bzw. deren Ministerien machtlos zu sein

kommt mir irgendwie bekannt vor (vom Hören-Sagen)

Da kommt Freude auf, wenn ich an unseren zukünftigen Ministerpräsidenten(Bayern) denke,
der bei Nacht und Nebel ein Kirchenasyl von der Polizei räumen und die Leute sofort ins Ausland abschieben ließ.
(Er konnte nichts dafür, weil er grad in Urlaub war)

Liebe Grüße
Bernd

Bernd Offline

Edelweiss


Beiträge: 1.334
Punkte: 1.334

21.08.2007 20:30
#4 RE: Gentrifikation Zitat · Antworten
Nach dieser Bemerkung kann ich endlich in meinem Garten Kartoffeln anbauen

Siehe dazu: Witz des Tages
mit dem Araber

so lustig find ich's eigentlich gar nicht

Liebe Grüße
Bernd

Brockenhexe ( gelöscht )
Beiträge:

21.08.2007 22:27
#5 RE: Gentrifikation Zitat · Antworten

Das erinnert mich aber irgendwie an die Stasi.
Dabei ist doch Gentrification nichts neues.
Gentrifizierungsprozesse laufen häufig nach typischen Mustern ab: Wegen der niedrigen Mietpreise werden die Stadtteile für „Pioniere“ (Studierende, Künstler, Subkultur etc.) attraktiv. Diese werten in einem ersten Schritt die Stadtteile auf und setzen einen Segregationsprozess in Gang. Viele Studierende steigen in das Berufsleben ein, verdienen deutlich mehr Geld als die ansässigen Bewohner; manche Künstler etablieren sich und bringen weiter Kapital in die Stadtteile. Investoren sehen Chancen zur Wertsteigerung. Erste Häuser und Wohnungen werden restauriert, Szene-Clubs und Kneipen entstehen. Die Mieten steigen. Alteingesessene werden – manchmal mit rüden Methoden – u.a. durch Mieterhöhungen vertrieben. Neu Eingewanderte, Studierende oder erfolglose Künstler können sich die höheren Mietpreise nicht leisten und siedeln sich in anderen Stadtteilen an. Eine neue, wohlhabendere Klientel siedelt sich an und setzt oft andere Lebensstandards durch. Immobilienunternehmen entdecken das Interesse und sanieren weitere Häuser luxuriös. Die ursprüngliche Bevölkerungsstruktur und der Charakter der Viertel wandeln sich. Die Gentrifizierung geht einher mit einem allgemeinen Segregationsprozess.
Gentrifizierung der Simon-Dach-Straße in Berlin
Gentrifizierung der Simon-Dach-Straße in Berlin

Beispiele für einen stattfindenden Gentrifizierungsprozess liefern Stadtteile wie Ottensen, St. Georg oder das Schanzenviertel in Hamburg, Berliner Quartiere wie der Kollwitzkiez im südlichen Prenzlauer Berg sowie die Simon-Dach-Straße und das Samariterviertel in Berlin-Friedrichshain sowie in Wien der Spittelberg oder das Kabelwerk Wien-Meidling sowie die Stadtteile Haidhausen oder Glockenbachviertel in München sowie die Äussere Neustadt in Dresden.

Liebe Grüße
Brockenhexe (-:

 Sprung  
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