Der Wissenschaftler Dr. Andrej H. sitzt in Isolierhaft.
Sein Forschungsgebiet: Gentrifikation (Innenstadtveredelung=arm raus-reich rein). Sein Vergehen: Bekennerschreiben zu einem Anschlag waren in Hochsprache verfasst und enthielten den Begriff Gentrifikation, außerdem wurde er im Gespräch mit einem "Tatverdächtigen" gesehen. Der Inhalt des Gesprächs ist nicht bekannt.
http://www.zeit.de/online/2007/34/wissen...t-andrej?page=2 Seit am 1. August der Berliner Soziologe Andrej H . unter Terrorverdacht verhaftet wurde, herrscht unter deutschen Sozialwissenschaftlern einige Aufregung. Sie erschüttert nicht nur, dass er wie ein Schwerverbrecher behandelt wird: getrennt von drei kleinen Kindern und seiner Lebensgefährtin, und jeder Brief, jedes Gespräch mit seiner Rechtsanwältin wird kontrolliert.
Eine ganze Reihe von Soziologen empörten sich zuletzt in einem offenen Brief an die Generalbundesanwältin darüber, dass Andrej H. ohne konkrete Anklagepunkte festgehalten werde, und forderten, die Ermittlungen einzustellen. Die Bundesanwaltschaft wirft dem Soziologen vor, Mitglied der Terrorvereinigung “militanten Gruppe“ (MG) zu sein. Angeblich habe er sich vor mehreren Monaten mit einem Mitglied der MG getroffen, das Ende Juli bei dem Versuch, Fahrzeuge der Bundeswehr in Brand zu setzen, verhaftet wurde.
Offener Brief an die Generalbundesanwältin beim Bundesgerichtshof Monika Harms Brauerstraße 30 76135 Karlsruhe
14. 8. 2007
Am 1. August 2007 wurde auf Antrag der Bundesanwaltschaft der sozial engagierte Berliner Soziologe Dr. Andrej H. in Untersuchungshaft genommen. Vorausgegangen waren Hausdurchsuchungen bei ihm und drei weiteren wissenschaftlich Tätigen. Ihnen wird unterstellt, Mitglieder einer Organisation namens „militante gruppe“ (mg) zu sein, gegen welche die Bundesanwaltschaft wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung nach §129a StGB ermittelt. Der Haftbefehl erging gegen Dr. Andrej H., weil dieser vor mehreren Monaten zwei „konspirative“ Treffen mit einer Person gehabt haben soll, die bei dem Versuch, Fahrzeuge der Bundeswehr in Brand zu setzen, Ende Juli in Brandenburg an der Havel festgenommen wurde. Die Art von Gewaltbefürwortung und –ausübung, wie sie von der „militanten gruppe“ praktiziert wird, lehnen wir strikt ab. Zugleich verwahren wir uns aber entschieden gegen die Konstruktion der intellektuellen Täterschaft, wie sie von der Bundesanwaltschaft vorgenommen wird. Der Verdacht auf die Zugehörigkeit zu einer terroristischen Vereinigung wird nach Auskunft der Rechtsvertreter von Dr Andrej H. nämlich inhaltlich wie folgt begründet: - der Bundesanwaltschaft liegen keine Erkenntnisse über den Inhalt der Treffen von Dr. Andrej H. mit dem mutmaßlichen Brandstifter vor. Diese schließt allein aus dem Umstand der beiden Treffen, dass sie allesamt Mitglieder der „militanten gruppe“ sein müssen; - nach der Bundesanwaltschaft ist von einer Mitgliedschaft von Dr. Andrej H. in einer terroristischen Vereinigung auszugehen, weil er sich mit Themen beschäftigt, die sich auch in Schreiben der mg wieder finden; eine wissenschaftliche Abhandlung von Dr. Andrej H. von 1998 enthalte „Schlagwörter und Phrasen“, die in Texten der „militanten Gruppe“ gleichfalls verwendet werden (u.a. den in der Stadtforschung gebräuchlichen Begriff der ‚Gentrification’), - einem beschuldigten promovierten Politologen stünden „als Mitarbeiter eines Forschungszentrums Bibliotheken zur Verfügung, die er unauffällig nutzen kann, um die zur Erstellung der militanten Gruppe erforderlichen Recherchen durchzuführen“, - er und die weiteren wissenschaftlich Tätigen verfügten über die „intellektuellen und sachlichen Voraussetzungen, die für das Verfassen der vergleichsweise anspruchsvollen Texte der militanten Gruppe erforderlich sind“, Solche Argumente lassen jede wissenschaftliche Tätigkeit als potentiell kriminell erscheinen. Die Begründungen der Bundesanwaltschaft stellen eine direkte Bedrohung für alle dar, die kritische Wissenschaft, Publizistik und Kunst betreiben und für diese mit ihrem Namen in der Öffentlichkeit einstehen. Kritische Forschung, auch in Verbindung mit sozialem und politischem Engagement, darf nicht zum terroristischen Tatbestand erklärt werden. Wir appellieren an die Bundesanwaltschaft, die Unterstellung fallen zu lassen, die wissenschaftlichen Arbeiten von Dr. Andrej H. begründeten eine intellektuelle Täterschaft in einer terroristischen Vereinigung. Aus der wissenschaftlichen Arbeit von Dr. Andrej H. lassen sich unter keinen Umständen Rechtfertigungen für einen Haftbefehl herleiten. Eine solche Argumentation stellt eine fundamentale Bedrohung der Freiheit von Forschung und Lehre dar. Ebenso appellieren wir, die Ermittlungen gegen Dr. Andrej H. nach § 129a StGB, mit denen sich besonders schwere Haftbedingungen und eine empfindliche Einschränkung der Verteidigung verbinden, unmittelbar einzustellen.
Gezeichnet: Prof. Dr. Hartmut Häußermann, Humboldt-Universität zu Berlin Dr. Carsten Keller, Centre Marc Bloch, Berlin Prof. Dr. Wilhelm Heitmeyer, Universität Bielefeld Prof. Dr. Claus Offe, Hertie-School of Governance, Berlin Ralf Fücks, Vorsitzender der Heinrich-Böll-Stiftung Prof. Dr. Herbert Gans, Columbia University, New York Prof. Dr. John Mollenkopf, City University of New York Prof. Dr. Wolfgang Engler, Rektor der Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch" Berlin Prof. Dr. Yves Sintomer, Universität Paris 8, stellv. Direktor des Centre Marc Bloch, Berlin Prof. Dr. Ulrich Battis, Humboldt-Universität zu Berlin Prof. Dr. Franz Schultheis, Universität StGallen und Netzwerk ESSE Prof. Philipp Oswalt, Universität Kassel Prof. Dr. Sandro Cattacin, Universität Genf Prof. Dr. Hellmut Wollmann, Humboldt-Universität zu Berlin Anna Vandenhertz, freiberufliche Autorin Prof. Dr. Michael Schumann, Universität Göttingen Prof. Dr. Helmuth Wiesenthal, Humboldt-Universität zu Berlin Prof. Dr. Johannes Boettner, Hochschule Neubrandenburg Prof. Dr. Simone Hain, TU Graz Dr. Rainer Neef, Universität Göttingen Dr. Wolfgang Neef, TU Berlin Dr. Edith Pichler, Humboldt-Universität zu Berlin und Universität Trento Dr. Anja Weiß, Ludwig-Maximilians-Universität München Prof. Dr. Helmut Thome, Universität Halle Prof. Dr. Ruth Becker, Universität Dortmund Prof. Dr. Susanne Frank, Universität Dortmund Prof. Dr. Ulf Kadritzke, Fachhochschule für Wirtschaft, Berlin Prof. Dr. Martin Kronauer, Fachhochschule für Wirtschaft, Berlin PD Dr. Klaus Schlichte, Humbodt-Universität zu Berlin Prof. Dr. Michael Bodemann, University of Toronto Dipl. Hist. Daniela Zunzer, Zürich PD Dr. Ingrid Oswald, Humboldt-Universität zu Berlin Prof. Dr. Wolfgang Kaschuba, Humboldt-Universität zu Berlin Dr. Andreas Lösch, TU Darmstadt Dr. Stefan Vogt, Universiteit van Amsterdam PD Dr. Christine Hannemann, Humboldt-Universität zu Berlin Prof. Dr. Stephan Lessenich, Friedrich-Schiller-Universität Jena Prof. Dr. Christine Weiske, TU Chemnitz Dr. Michael Heinrich, FHTW Berlin Prof. Dr. Uwe-Jens Walther, TU Berlin Ulrike Poppe, Ev. Akademie Berlin Prof. Dr. Silke Wenk, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg Prof. Dr. Andreas Pott, Universität Osnabrück Wolfgang Kil, Publizist Prof. Dr. Marianne Rodenstein, Universität Frankfurt/Main Prof. Dr. Ludger Schwarte, Universität Basel Prof. Dr. Ulrich Reinisch, Humboldt-Universität zu Berlin Dr. Norbert Gestring, Universität Oldenburg Dr. Uwe Bittlingmayer, Universität Bielefeld Prof. Dr. Michael Krummacher, Ev. Fachhochschule RWL-Bochum Dr. Fabian Kessel, Universität Bielefeld PD Dr. Hagen Kühn, Wissenschaftszentrum Berlin Dr. Dr. Bruno Flierl, Architekturkritiker und -theoretiker Prof. Dr. Ullrich Bauer, Juniorprofessor Universität Bielefeld Prof. Dr. Uwe Altrock, Universität Kassel Dr. Klaus Lederer, FHTW/FHVR und Rechtsanwalt Dipl.- Geogr. Matthias Naumann, Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung, Erkner Dr. Roland Verwiebe, Universität Hamburg Dr. Monika Eigmüller, Universität Leipzig, Institut für Soziologie Dr. Olaf Groh-Samberg, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung Prof. Dr. Carmen Mörsch, Juniorprofessorin Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Gegen Polizei und Verfassungsschutz scheinen die Politik, Regierung bzw. deren Ministerien machtlos zu sein
kommt mir irgendwie bekannt vor (vom Hören-Sagen)
Da kommt Freude auf, wenn ich an unseren zukünftigen Ministerpräsidenten(Bayern) denke, der bei Nacht und Nebel ein Kirchenasyl von der Polizei räumen und die Leute sofort ins Ausland abschieben ließ. (Er konnte nichts dafür, weil er grad in Urlaub war)
Das erinnert mich aber irgendwie an die Stasi. Dabei ist doch Gentrification nichts neues. Gentrifizierungsprozesse laufen häufig nach typischen Mustern ab: Wegen der niedrigen Mietpreise werden die Stadtteile für „Pioniere“ (Studierende, Künstler, Subkultur etc.) attraktiv. Diese werten in einem ersten Schritt die Stadtteile auf und setzen einen Segregationsprozess in Gang. Viele Studierende steigen in das Berufsleben ein, verdienen deutlich mehr Geld als die ansässigen Bewohner; manche Künstler etablieren sich und bringen weiter Kapital in die Stadtteile. Investoren sehen Chancen zur Wertsteigerung. Erste Häuser und Wohnungen werden restauriert, Szene-Clubs und Kneipen entstehen. Die Mieten steigen. Alteingesessene werden – manchmal mit rüden Methoden – u.a. durch Mieterhöhungen vertrieben. Neu Eingewanderte, Studierende oder erfolglose Künstler können sich die höheren Mietpreise nicht leisten und siedeln sich in anderen Stadtteilen an. Eine neue, wohlhabendere Klientel siedelt sich an und setzt oft andere Lebensstandards durch. Immobilienunternehmen entdecken das Interesse und sanieren weitere Häuser luxuriös. Die ursprüngliche Bevölkerungsstruktur und der Charakter der Viertel wandeln sich. Die Gentrifizierung geht einher mit einem allgemeinen Segregationsprozess. Gentrifizierung der Simon-Dach-Straße in Berlin Gentrifizierung der Simon-Dach-Straße in Berlin
Beispiele für einen stattfindenden Gentrifizierungsprozess liefern Stadtteile wie Ottensen, St. Georg oder das Schanzenviertel in Hamburg, Berliner Quartiere wie der Kollwitzkiez im südlichen Prenzlauer Berg sowie die Simon-Dach-Straße und das Samariterviertel in Berlin-Friedrichshain sowie in Wien der Spittelberg oder das Kabelwerk Wien-Meidling sowie die Stadtteile Haidhausen oder Glockenbachviertel in München sowie die Äussere Neustadt in Dresden.